Climbing in Iran
posted on November, 2018

 
Das wohl größte Geschenk meiner beinahe 20-jährigen
Wettkampfkarriere sind Freundschaften. So habe ich
auch eine kleine Gruppe von iranischen Kletterern
vor 6 Jahren beim Eiskletterweltcup kennengelernt.
Sie haben mich und meinen Freund Marco mehrmals
eingeladen, sie doch besuchen zu kommen und uns von
der Schönheit ihres Landes vorgeschwärmt und so
haben wir entschieden, dieser Einladung endlich zu
folgen.
Für mich war dies die erste Reise, bei der nicht ein
Wettkampf oder das Klettern einer besonders
schwierigen Kletterroute im Vordergrund stand,
sondern das Bereisen eines für mich neuen
Landes und vor allem der Kontakt mit den
Einheimischen. So hatten wir gemeinsam mit dem
iranischen Bergsteigerverband einen Eiskletterkurs
organisiert. An zwei getrennten Tagen übten 12
Frauen und 20 Männer die Technik und ich stand Rede
und Antwort über mein Training und meine
persönlichen Erfahrungen. Vor allem der den Frauen
gewidmete Kurs lag mir sehr am Herzen.
Ein weiteres Ziel unserer Reise war es eine neue
Drytoolingroute (Klettern mit Eispickeln und
Steigeisen auf dem Fels), als Trainingsmöglichkeit
für die einheimischen Kletterer zu schaffen. Ich
konnte die Route am letzten Tag unserer dreiwöchigen
Reise erstbegehen und mit dem Grad D13- ist sie die
schwierigste Route des Landes in dieser
Kletterdisziplin.
Allgemein stellen sich viele den Iran als ebene
Wüstenlandschaft vor. In Wirklichkeit ist das Land
aber von Bergen durchzogen, mit
dem Elburs-Gebirge im Norden/Nordosten und dem
Zagros-Gebirge, das sich über die gesamte westliche
Hälfte des Landes erstreckt. Der höchste Berg des
Landes ist der Damawand, der mit seinen 5.609 Metern
auch der höchste Berg des gesamten Nahen Osten ist.
Wir entschieden, diesen ruhenden Vulkan als unseren
ersten höheren Berg zu versuchen. Nachdem wir zwei
Nächte auf der auf 4.200 Metern gelegenen Bargah-e-
Sewom Hütte verbracht hatten, wo wir aufgrund der
für uns ungewohnten Höhe kaum schlafen konnten,
machten wir uns am dritten Tag bei wunderbarem
Wetter an den anstrengenden und kräftezehrenden
Gipfelaufstieg. Den Abstieg zur Hütte mussten wir
dann im inzwischen aufgezogenen Nebel und
Schneegestöber bewältigten.
Als offizielle Gäste des Bisotun Kletterfestivals
bereisten wir die im Westen gelegene Provinz
Kermanschah. Diese Gegend zählt zum iranischen Teil
Kurdistans und wir hatten die Gelegenheit, einer
Reitervorführung in typischer Kleidung beizuwohnen.
Unsere Unterkunft in einer ehemaligen restaurierten
Karawanserei, die Teil der sagenumwobenen
Seidenstraße war, erinnerte mich daran, wie
fasziniert ich als Kind die Erzählungen aus 1001
Nacht verschlungen hatte. Damals hätte ich mir nie
träumen lassen, einmal in so einem traumhaften
Gebäude nächtigen zu dürfen. Als
Highlight unseres Aufenthalts in Bisotun wurde extra
für die Teilnehmer des Festivals eine Besichtigung
des zum Unesco-Weltkulturerbe zählenden Felsreliefs,
das den siegreichen Achemidenkönig Darius I
darstellt und 520 v.Chr. angefertigt
worden war, organisiert. Unterhalb der bildlichen
Darstellung befindet sich die älteste in Stein
gemeißelte Inschrift des Landes in altpersischer,
elamischer und neubabylonischer Sprache. Das Relief
befindet sich in einer Felswand auf einer Höhe von
60 Metern und da sich die errichtete Plattform
leider in sehr schlechtem Zustand befindet, ist
normalerweise kein Zugang möglich. Auf dem Gelände
finden sich noch weitere Reliefs verschiedenen
Alters, die wir mit einer einheimischen
Fremdenführerin besichtigen konnten.
Von Kermanschah fuhren wir mit dem öffentlichen Bus
nach Isfahan, während der Reise überraschte uns der
Fahrer mit einer Portion Reis und Kebab, die er zur
Mittagszeit in einem Restaurant am Straßenrand für
alle Passagiere besorgte. Der weniger positive
Aspekt dieser sehr persönlichen Behandlung war dann
aber, dass um Isfahan beinahe für jeden Passagier
extra in einem anderen Stadtteil angehalten wurde.
Den ersten Tag verbrachten wir mit tollem
Felsklettern an einem fantastisch strukturierten
Fels direkt über den Dächern der Stadt. Den zweiten
Tag widmeten wir der Besichtigung der beiden Brücken
Si-o-se Pol und Pol-e Chadschu über den Fluss
Zayandeh und vor allem der Freitagsmoschee und
dem Imamplatz Meidan-e Emam, die allesamt ebenfalls
zum Unesco-Welterbe zählen. Die sich über 2 Hektar
erstreckende Freitagsmoschee mit ihrer fantastischen
blauen Fassade und den Stalaktitengewölben ist eines
der schönsten Bauwerke, das ich je gesehen habe. Der
frühere Königsplatz ist mit seiner Länge von 500
Metern der größte seiner Art weltweit. Er ist von
doppelstöckigen Arkaden eingefasst, in deren
nördlichem Teil sich der Bazar befindet. Da Isfahan
als Touristenziel gilt, kann man hier viele nette
Souvenirs finden und im Gegensatz zum riesigen Bazar
in der Hauptstadt Teheran, geht es hier viel ruhiger
und geordneter zu.
Zurück in Teheran besichtigten wir den Golestan
Palast, der Ende des 18./Anfang des 19. Jahrhunderts
erbaut worden war und bis zur Errichtung der
islamischen Republik Sitz der persischen Monarchen
war. Hier sind vor allem die komplett mit Spiegeln
verzierten Innenräume sehenswert.
Wir waren die gesamte Reise mit einheimischen
Kletterern unterwegs und ich muss sagen, dass die
Gastfreundschaft im Iran einfach umwerfend ist. Wir
wurden von allen Seiten, privat wie auch vom
Bergsteigerverband, mit offenen Armen empfangen. Die
Freude, Ausländer zu Gast zu haben und ihnen das
Land zeigen zu dürfen war sehr groß. Wir wurden
überall eingeladen, was manchmal fast beschämend
war, wenn man an die Differenz unseres Einkommens
denkt. Im Zeitraum unserer Reise (Oktober
bis Anfang November 2018) waren für uns die Kosten
sehr gering, da durch die neu auferlegten Sanktionen
die Währung um ein Vielfaches an Wert verloren
hatte. So kostete eine komplette Mahlzeit
umgerechnet gerade einmal 2 Euro und die 400
Kilometer lange Fahrt mit einem Taxi von Isfahan
nach Teheran 15 Euro. Dies ist für unsere iranischen
Freunde natürlich ein großes Problem, da sie sich
die Teilnahme an den internationalen Wettkämpfen in
der kommenden Wintersaison aus diesem Grund nicht
leisten können.



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