Isländisches Eis
posted on March, 2020

 
Keiner von uns Dreien, weder ich, noch mein Freund
Marco oder unser Kletterkamerad Maurizio waren zuvor
in Island gewesen und so war unsere Neugierde sehr
groß.
Der englische Name „Iceland“ lässt das
Eisklettererherz ja bereits höher schlagen und der
erste Blick vom Fenster des Flugzeugs auf die in
rosa Abendrot getauchte Insel war magisch.
Nachdem wir unseren Defender mit Vierradantrieb
entgegengenommen hatten und auch unser Bekannter
Matteo, der auf Island lebt und dort als
Gletscherführer arbeitet mit an Bord war, ging es
los Richtung Südosten. Wir hatten geplant, die
folgenden 9 Tage in der Gegend des Vatnajökull
Nationalparks zu verbringen, der die größte Eisdecke
Islands beherbergt.
Nach einigen Fahrtstunden erreichten wir unser Ziel
und wollten natürlich sofort die Pickel schwingen.
Die letzten Kilometer auf einer Offroad-Piste waren
ein Abenteuer für sich, zum Glück war dann aber der
Zustieg kurz. Der erste Anblick dieser kompakten
Eiswand war atemberaubend und wir suchten uns
schnell zwei Linien aus, die wir im letzten Licht
des Tages kletterten. Die Eispickel in dieses 200
Jahre alte Eis zu schlagen schien fast eine Sünde,
Matteo beruhigte uns aber da er sagte, dass frischer
Schnee und Sonne unsere Löcher in nur wenigen Tagen
auslöschen würden. Die Wand war leicht überhängend,
wie ein Segel, im unteren Teil von Lavaasche schwarz
gefärbt und im oberen Teil schillernd blau, ein
wahres Wunder der Natur!
Am nächsten Tag starteten wir mit vielen Ideen im
Kopf und einem schweren Rucksack auf den Schultern.
Da wir nicht wussten, wie die Bedingungen der
Wasserfälle, der Gletscherlöcher und der
Gletscherhöhle waren, hatten wir kurzerhand unser
ganzes Material eingepackt. Die Wasserfälle hatten
aber unter dem Warmlufteinfluss der letzten Woche
gelitten und kamen nicht mehr in Frage und die
Gletscherlöcher, die uns auf Bildern so fasziniert
hatten, waren vom Schnee verstopft. Die Eishöhle
präsentierte sich aber in ihrer ganzen Schönheit und
so machte sich Maurizio sofort an die Arbeit, die
steil überhängende Linie mit Eisschrauben zu
sichern. Diese Höhle wurde durch das Eindringen
eines Baches in den Gletschers gebildet, der laut
rauschend in der Finsternis des Tunnels
verschwindet.
Leider wurden wir auch am nächsten Tag, in einem
anderen Teil des Gletschers auf unserer Suche nach
Gletscherlöchern nicht fündig, sie waren definitiv
alle vom Schnee versiegelt.
Am nächsten Tag entschieden wir uns für den Besuch
der nahegelegenen Lagune und des Diamond Beach. Hier
brechen riesige Eisbrocken vom Gletscher ab und
treiben als immer kleiner werdende Eisberge Richtung
Meer, wo einige von ihnen von den Wellen wieder an
Land geschwemmt werden und dort wie wunderschöne,
blinkende Diamanten liegen und dem Strand seinen
Namen geben.
Nun war es Zeit, den Durchstieg unserer Route in der
Eisgrotte zu versuchen und ich bin hochmotiviert in
die Route gestartet. Auf halber Höhe verklemmte sich
aber einer meiner Eispickel und ich musste mehrere
Minuten kämpfen und alle Tricks versuchen um ihn zu
lockern. Mit sehr müden Armen kämpfte ich mich
weiter und schaffte es bis zum Umlenker. Auch
Maurizio gelang der Durchstieg und so kamen wir zum
ersten Mal nicht beim Dunkelwerden nach Hause und
konnten die übrige Zeit ins Kochen investieren. Es
gab isländische Schafskeule im Rohr mit
einheimischen Kartoffeln.
Seit Tagen hatten wir den Wetterbericht genauestens
verfolgt, eine in Island unverzichtbare Tätigkeit,
und so wussten wir bereits, dass uns am nächsten Tag
ein Schneesturm erwartete. Die gemeldete
Windgeschwindigkeit lag bei 150 km/h und somit war
klar, dass der Zivilschutz die Straßen sperren
würde, da die geringe Sicht und der starke Wind, der
sogar die Autofenster zum bersten bringen konnte, zu
gefährlich waren.
Gut ausgeschlafen aber beeindruckt vom Wind, den wir
am Haus rütteln und im Abzug heulen hörten, trafen
wir uns am Morgen zum Frühstück, der erste Blick auf
den Wetterbericht der nächsten Tage war
enttäuschend. Am folgenden Tag sollte nun eine
zweite Schlechtwetterfront auf die Insel zukommen
und nach kurzer Analyse war klar, nur wenn wir
sofort am nächsten Morgen Richtung Reykjavik
aufbrechen würden, wären wir sicher, in drei Tagen
unseren Rückflug antreten zu können.
Auf der Rückfahrt und am letzten Tag konnten wir
einige Touristenattraktionen wie den Geysir im
Golden Circle und das alte Stadtzentrum von
Reykjavik besichtigen, an Klettern war bei dem
tobenden Wind leider nicht zu denken.
In Island ist die Schönheit der Natur grenzenlos,
dies gilt aber auch für ihre Kräfte. Ein riesiger
Dank gebührt unserem Freund Matteo, der uns durch
dieses für uns ungewohnte Umfeld führte und uns
einige der schönsten Ecken der Insel zeigte.

pictures by Matteo Meucci and Marco Servalli


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